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Lisa Mühl
Jasmin Bilz
Julia Niezel
Paula Knopfe
Julia Fiedler
Sophie Maier

Bild 1 | Titelseite der Einladung unter Verwendung einer Grafik von Jasmin Bilz aus der Serie "Blick auf"
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Die nächste Generation

Wenn sich so langsam eine ganze Künstlergeneration, die unsere Kunstlandschaft geformt hat, davon macht, wird das zurecht als Verlust empfunden. Es entstehen Lücken, Fehlstellen im kulturellen Geflecht unseres Gemeinwesens. Es ist der ganz normale Lauf der Dinge.

Verdienste und Anerkennung der alten Generation - durch jahrelanges Schaffen angehäuft, sind nicht zu übersehen und von niemandem anzuzweifeln.
Manchmal, so scheint es mir auch, ist es ganz bequem in einer so verlässlichen Welt. Man weiß, was man voneinander erwarten kann - man kennt sich eben. Die alten Hasen sind stets verlässliche Posten.

Doch immer, und das ist unser Thema heute, entsteht auch Neues. Lücken werden schnell wieder besetzt. Beziehungen ordnen sich neu. Alte Netzwerke werden durch neue ersetzt.
Auf diesen immer wiederkehrenden Vorgang des Werdens und Vergehens kann man sich verlassen. Die Kunst stellt da in keiner Weise eine Ausnahme dar.

Mit dem Vorsprung von 30 – 40 – 50 Jahren oder mehr sehen wir eine Generation heranwachsen, die sich, wie alle Generationen vorher an den Alten messen will. Was diese jungen Leute in den Lehrbüchern und Bildbänden, Galerien und Museen, im Fernsehprogramm und auf Internetseiten vorfindet, ist der Boden, auf dem ihre Arbeiten wachsen. Und wer selbst in längst vergangenen Jahren die bildende Kunst als Ausdrucksmittel für sich entdeckt hat, wird sich wiedererkennen und sich an die ersten, noch fremdbestimmten Schritte erinnern .

Wir erleben das Wechselspiel zwischen dem Streben, es den Vorbildern gleich zu tun und dem Widerspruchsgeist, den jede Generation für ihre Emanzipation so nötig braucht.
Gleichzeitig ringen Ausdruckswille und Ausdrucksvermögen miteinander um die Balance.

Wohin diese Beschäftigung mit Themen und Ausdrucksmitteln führen wird, ist den jungen Urhebern selbst noch nicht bekannt. Es liegt noch keine Wegstrecke hinter ihnen, von der sie auf die nächsten Schritte schließen könnten. Alles ist offen, alles ist Vision.

Möglichkeiten zur Entwicklung der eigenen Fähigkeiten zu schaffen, ist seit ihrer Gründung 1967 ein Hauptziel der Volkskunstschule. Anfangs hatten die Initiatoren das konkret formulierte Ziel, zeichnend und schnitzend Nachwuchs für das Klein Erzgebirge heranzubilden. Die älteste Miniaturschau Deutschlands war damals ganz besonders ein Ort an dem volkskünstlerische und handwerkliche Traditionen gepflegt werden. Es ging um nichts geringeres als die Neuerrichtung der Heimat, die kurz vorher auch moralisch und politisch zerstört wurde.

Die Kunsthandwerker und bildenden Künstler, die sich dieser Aufgabe widmeten, eröffneten ein Feld von Möglichkeiten, dessen Wege bald wegführten vom Verein der erzgebirgischen Miniaturen. Lithografie, Siebdruck, Textilgestaltung, Fotografie, Malerei – all das fand bald Eingang in die Kurse, die man damals noch Klassen nannte.

Die Vielfalt der Techniken und Ausdrucksmöglichkeiten ist auch heute noch ein Wesenszug der Volkskunstschule. Geändert hat sich inzwischen das Menschenbild, die Überzeugung davon, was für junge Menschen in ihrer Entwicklung wichtig ist.

Der Kurs, den die 6 jungen Künstlerinnen besuchten, war ausgerichtet auf eine Vielfalt von Eindrücken und Einflüssen. Unterschiedlichste Techniken von der Zeichnung bis zum Architekturmodell, von Druckgraphik bis Animation lernten die Schülerinnen kennen. Das Angebot orientierte sich daran, was die Kreativwirtschaft heute bereithält. Und sie kamen in Kontakt mit ebenso vielen Künstlern, die ihre jeweilige Sicht der Dinge weitergaben: Günter Wittwer, Lichtblau, Volker Beyer, Volker Träger, Bianca Seidel, Michael Freudenberg, Karsten Mittag, Nadine Respondek-Tschersig sind nur einige der Dozenten dieses Kurses. Aus meiner Sicht entstand so ein Programm, das unterschiedlichste Positionen, Techniken, Charaktere, Arbeitsweisen vorstellte. Eine Möglichkeit, sich zu orientieren, eigene Interessen und Neigungen zu erkennen, Arbeitsweisen für sich zu entdecken und Vorbilder zu finden.

Die jungen Frauen, die heute hier ihre Arbeiten zeigen, haben teils gemeinsam, teils unabhängig voneinander diesen Samstagskurs der Volkskunstschule besucht. Mit unterschiedlicher Intensität und mit unterschiedlicher Auswirkung auf ihr Schaffen.

Was bedeutet es Kunst zu machen? Es ist Sinnstiftung und ein geeignetes Mittel, die Welt zu reflektieren, darüber nachzudenken was einem wichtig ist, auch innere, an sich unsichtbare Vorgänge, bildnerisch darzustellen.

Alle 6 durchleben im Moment eine aufregende Zeit. Sie stehen vor ihrem Schulabschluss oder haben ihn eben gerade hinter sich. Eignungstests, Studienbewerbungen nicht nur für die künstlerischen Richtungen, stehen auf der Tagesordnung.
Gemeinsam ist ihnen auch, dass die Kunst (wir ersparen uns hier eine genaue Begriffsklärung) eine Rolle in ihrem Leben spielen wird. Dieser kleinste gemeinsame Nenner birgt einen enormen Spielraum. Die Kunst taucht auf als Lebensmittelpunkt, als Option und als Möglichkeit zum Ausgleich zu einem Berufsleben in einem ganz anderen Fach.

Also werfen wir einen Blick auf das was da kommt. Wir finden Momentaufnahmen ganz unterschiedlicher Themen und Techniken. Selbstporträts, Zeichnungen, Malereien, Fotografien, Motive aus dem privaten Umfeld wie auch die Beschäftigung mit großen, wichtigen Themen.
Geboren in den 90er Jahren sind die jungen Frauen ohne die Erfahrung des Systemwechsels aufgewachsen. Über kurz oder lang wird hier ein anderes Verhältnis zu unserer Gesellschaft sichtbar werden als wir, die vor der Wende geborenen, es haben.

Die Auswahl der Arbeiten oblag den Künstlerinnen selbst. Wir lesen also darin das momentane Angebot, und können auf den Fundus schließen aus dem sie schöpfen. Wir erkennen die selbst gewählten Themen, die mit Akribie und nicht wenig Aufwand bearbeitet wurden und wir sehen auch noch die Hausaufgaben des schulischen Kunstunterrichts durchblicken.

Die Gahlenzerin Lisa Mühl hat nach ihrer Schulzeit in Flöha schnell das elterliche Heim verlassen. Auf der Suche nach der geeigneten Ausbildung hat sie nichts unversucht gelassen und ist dafür schon mehrmals umgezogen. So bekam sie immer wieder Kontakt zu neuen Umgebungen und Menschen. Der erste und spontane Eindruck, den sie als Persönlichkeit jeweils hinterließ, interessierte sie – auch die Vorurteile und Klischees, die damit verbunden sind. Ihre Selbstporträtserie zeigt Phantasie, Konsequenz und vor allem Spaß bei der Umsetzung dieses Themas.

Jasmin Bilz aus Burgstädt liebt das Experiment. Sie sucht das unbekannte Terrain und erprobt in enormem Tempo unterschiedlichste Medien und Techniken: Collage, Plastik, Malerei, Film. Immer vertritt sie den offenen Blick des Künstlers, fordert Nachdenken und Engagement. In Ihr kann man schon die Künstlerin erkennen. Sie selbst tritt davon einen Schritt zurück und will sich nicht zu sehr auf ein Ziel fixieren. Alle Erfahrungen sind für sie gleichermaßen wichtig wie es scheint.
Auch die anderen, Sophie Maier, Julia Niezel, Julia Fiedler und Paula Knopfe liefern bemerkenswerte Arbeiten. Reflektionen der eigenen Person und die Auseinandersetzung mit brennenden Themen wie Globalisierung und allgegenwärtige Überwachung sind zu finden. Form und Umsetzung freilich stehen am Anfang. Doch das wird sich noch entwickeln und wir sollten dabei auch alte Darstellungs- und Sehgewohnheiten hinterfragen. Die Formen der Popkultur und des Comic haben beispielsweise ihren Festen Platz in der Szene schon gefunden.

Dass die Ausstellung zeitlich noch vor der Kunstausstellung des Kulturraumes ebenfalls hier im Schloss Augustusburg stattfindet, passt haargenau. Die hier ihre Arbeiten einem Publikum präsentieren, werden noch etwas Zeit benötigen, in der sie sich und ihre Kunst weiterentwickeln können. Es wäre wünschenswert, wenn diese Zeitspanne kürzer wäre als gedacht, bis sie in den Ausstellungsprogrammen der Galerien und in einer der nächsten Kunstausstellungen des Kulturraumes auftauchen. Wir werden es sehen.

Die Idee, den jungen Leuten, die sich über einen längeren Zeitraum mit den Formen der bildenden Kunst beschäftigen, die Möglichkeit einer Ausstellung zu geben, hat sehr großes Interesse gefunden. Deshalb habe ich diese Ausstellung auf der Einladung „Die nächste Generation Nr1“ genannt. Weitere werden folgen, denn es folgen von Jahr zu Jahr immer neue junge Leute, die bildnerisch etwas mitteilen wollen. Denen werden wir Brücken bauen und Wege ebnen.

Ich wünsche den 6 jungen Künstlerinnen hier viele interessante Gespräche, Erkenntnisse und Kontakte durch diese Ausstellung. Danke an alle Dozenten, Mitarbeiter, Freunde, die mit an der Realisierung gearbeitet haben.

Rolf Büttner
Leiter der Volkskunstschule